
Die selbsterfüllende Prophezeiung
Von Stefan Kühn
Viele Negotiators haben mehr oder weniger klare Vorstellungen, wie bevorstehende Verhandlungen verlaufen werden und fühlen sich im Nachhinein meistens in ihrer Voraussicht bestätigt. Das hat oftmals weniger mit analytischen oder hellseherischen Fähigkeiten als vielmehr mit psychologischen Einflussfaktoren zu tun.
PROPHEZEIUNGSTIPP 1: BEWUSSTE PRÄGUNG
Wer im Vorfeld glaubt, dass sein Gegenüber sehr hart verhandeln wird, prägt sein eigenes Verhalten vor und während der Verhandlung. Wer in einer solchen Situation von Beginn weg tief ankert oder nachgibt, provoziert noch höhere Forderungen. Wer selbst hart einsteigt, provoziert Ablehnung oder Gegendruck. Wie auch immer, die Prophezeiung wird sich erfüllen.
- Bleiben Sie in der Vorbereitung locker und schätzen Sie die Situation nüchtern ein. Holen Sie eine Zweitmeinung ein, um die Situation objektiv einschätzen zu können.
- Bereiten Sie sich seriös und sachlich vor, das gibt Ihnen Sicherheit. Eigene Über- oder Unterschätzung wird Sie schwächen. Prägen Sie sich darauf, dass Sie auf gleicher Augenhöhe verhandeln werden, alles unter Kontrolle behalten und im Ernstfall zu nichts Ja oder Nein sagen müssen.
PROPHEZEIUNGSTIPP 2: AUF RISIKEN ACHTEN
Selbst wer mit positiver und selbstbewusster Prägung in eine Verhandlung einsteigt, unterliegt dem Risiko, wankelmütig zu werden. Wer die eigenen roten Punkte (Triggers) kennt, kann mit einer guten Vorbereitung die Kontrolle behalten und Gegensteuer geben.
- Wenn Sie bereits im Vorfeld wissen, wie Sie auf harte, provozierende oder unfaire Fragen reagieren werden, bleiben Sie auf Kurs ohne nachgeben zu müssen.
- Bereiten Sie die Antwort auf die schwierigste aller Fragen bereits im Vorfeld vor. Sollte sie gestellt werden und Sie nicht ausweichen können, haben Sie die sachliche Antwort griffbereit in der Tasche.
PROPHEZEIUNGSTIPP 3: FLEXIBEL BLEIBEN
Jede Verhandlung hat ihre eigene Dynamik – mit Unvorhergesehenem muss jederzeit gerechnet werden. Wer Tipp 1 & 2 befolgt, bleibt offen, ohne von seinen Forderungen abrücken zu müssen.
- Gehen Sie mit der Dynamik mit. Wer sich starr verhält, beeinflusst die Verhandlung in gleicher Weise, was in der Regel in die Sackgasse führt.
- Akzeptieren Sie, dass Sie nie wirklich voraussagen können, wie die Verhandlung verlaufen wird. Sich auf ein fixes Szenario einzustellen ist nicht dienlich und blockiert Sie.
- Lassen Sie sich nicht provozieren. Sie sollten erst zur harten Gangart wechseln, wenn es nicht mehr anders geht – ein Zurück gibt es nicht mehr.