Klassische Fehler im Verhandlungsprozess
Von Stefan Kühn
Geübte Verhandlungsteams sind sich gewohnt, im Nachgang zu den Verhandlungen den angewandten Prozess auf Stärken und Schwächen hin zu überdenken. Ob gut oder schlecht, was war, kann nicht mehr geändert werden. Umso mehr sind die Lehren aus einer abgeschlossenen Verhandlung für künftige Deals von enormem Wert. Wo liegen denn nun die klassischen Fehler?
Den meisten, die regelmässig verhandeln, ist der klassische und im Alltag meist verwendete Verhandlungsprozess bestens bekannt. Erstens Vorbereitung, zweitens versuchen, den Wert des Verhandlungsgegenstands zu vergrössern, drittens beim Teilen des Kuchens sicherstellen, dass die eigenen Zielsetzungen erreicht werden, und viertens die Realisierung und Umsetzung der Abmachung überwachen.
So klar und einfach das alles klingen mag, ganz grundsätzliche Fehler kommen in allen vier Prozessschritten immer wieder vor. Die wesentlichsten möchte ich kurz vorstellen:
Selbst wenn es um strategisch oder finanziell bedeutsame Verhandlungen geht, bereiten sich viele Teams nicht adäquat bis gar nicht vor. Das meist genannte Argument, wieso der Vorbereitung nicht mehr Wichtigkeit zugesprochen wird, ist die mangelnde Zeit. Immer wieder gibt es auch einzelne Leistungsträger, die sich der Wichtigkeit einer guten Vorbereitung bewusst sind, von ihrem beruflichen Umfeld aber nicht unterstützt werden. Der klassische Fall ist, dass jemand eine Verhandlungsschulung besucht hat und voller Motivation die nächste Verhandlung optimal vorbereiten will. Der Fluch daran: Andere haben den Kurs nicht besucht und sehen den Nutzen einer professionellen Verhandlungsvorbereitung eventuell nicht. Wer von Vorgesetzten und seinem Umfeld in der Vorbereitung nicht unterstützt wird, hat schlechte Karten. Es erstaunt, dass selbst bei sehr wichtigen Verhandlungen die Vorbereitung nicht in adäquater Form vorgenommen wird. Oftmals bleibt es beim Zusammentragen von Argumenten und beim Erstellen von Präsentationsunterlagen.
Im zweiten Prozessschritt gehen viele Verhandlungsteams bereits mit der Keule auf den/die Verhandlungspartner/in los. Sie glauben, dass nur wer hart, dominant und fordernd in eine Verhandlung einsteigt, ernst genommen und Erfolg haben wird. Mit solch einem Einstig wird, falls vorhanden, jede noch so kooperative und kreative Verhandlungsbereitschaft des Gegenübers im Keime erstickt. Erfolgreiche Führungskräfte kreieren und entwickeln Geschäftsideen und Opportunitäten – weniger gute oder gierige Führungspersonen teilen sie lediglich auf. Wichtig zu wissen ist, dass Sie jederzeit von einem kooperativen Verhandlungsstil (integratives Verhandeln) in einen harten, fordernden Stil (distributives Verhandeln) wechseln können, nicht aber umgekehrt. Wer also mit dem Schlaghammer in den Sitzungsraum geht, wird den Schlaghammer ohne Gesichtsverlust nicht wieder los. Weiser ist es, den Hammer, sollte er später von Nöten sein, im Koffer mit dabei zu haben.
Im dritten Prozessschritt, wo es darum geht, ein möglichst grosses Stück für sich sichern zu können, ist die Gier manchmal so gross, dass Vernunft und nachhaltiges Interesse auf der Strecke bleiben. Man verhält sich derart ungeschickt, dass anstelle einer fordernden, harten, aber korrekten Verhandlung, ein Schlachtfeld entsteht. Die einen mögen danach stolz vom Verhandlungstisch nach Hause gehen, vergessen aber dabei, dass sie Kredit, Achtung und Respekt verspielt haben. Das kommt sie später in der Regel teuer zu stehen.
In der Realisations- und Umsetzungsphase ist einer der sträflichsten Fehler, diesem letzten Prozessschritt zu wenig Beachtung zu schenken. Verkäufer wollen den Abschluss, ignorieren aber, dass sich der vermeintlich perfekte Deal intern nicht implementieren lässt. Andere belassen es bei einer zahnlosen Vereinbarung, die sich bei einer Nichterfüllung als wertlos herausstellt, und wiederum andere unterlassen es, gegenseitige Kontrollmechanismen zu vereinbaren, damit der Erfüllungsgrad überwacht werden kann.