Wie Verständnis helfen kann
Von Stefan Kühn
Verhandeln bedeutet auch Verstehen. Denn wer sein Verständnis für die Gegenseite geschickt auf- und ausbaut, geht mit erfolgsversprechenden Perspektiven in die Verhandlung.
Besonders erfreulich: Verständnis lässt sich trainieren und vorbereiten. Erfahren Sie aus unseren 5 Tipps, wie Sie Ihre Verhandlungschancen optimieren.
Fragen stellen und keinen Monolog führen
Bei wichtigen Verhandlungen neigen wir dazu, vieles von dem, was wir sagen wollen, im Voraus schriftlich zu notieren. Diese Praxis führt dazu, dass wir viel erzählen und wenig zuhören.
Wir empfehlen Ihnen, Ihre Vorbereitung auf die Verhandlung umzukrempeln und eine Liste der Interessen der anderen Seite zu erstellen. Es ist gut möglich, dass Sie dabei feststellen werden, dass Sie die Gegenseite noch nicht so gut verstehen, wie Sie sollten. Diese Wissens- und Verständnislücken sollten Sie dazu motivieren, sinnvolle und vor allem offene Fragen aufzuschreiben.
Wenn Sie mit einer Liste von Fragen und nicht mit einer Liste von Argumenten in die Verhandlung gehen, werden Sie mit grosser Wahrscheinlichkeit das Klügste tun, was Sie in einer Verhandlung tun können: Mehr Fragen stellen, mehr zuhören, mehr verstehen und weniger monologisieren.
Im Kleinen üben
Wir wissen zwar, dass wir unsere Fähigkeiten zum «aktiven Zuhören» entwickeln sollten, aber wir warten mit dem Üben dieser Fähigkeit zu oft bis zu den wichtigsten Verhandlungen. Das ist selbstredend unklug, denn es sind in erster Linie die weniger wichtigen Verhandlungen, die uns helfen, diese Fähigkeiten zu entwickeln.
Es muss sich dabei nicht einmal um «Verhandlungen» im engeren Sinne handeln. Wenn Sie das nächste Mal eine Meinungsverschiedenheit mit jemandem haben – sei es in der Partnerschaft, im Freundeskreis oder am Arbeitsplatz – überlegen Sie, wie viele Fragen Sie hintereinander stellen können, ohne Ihren eigenen Standpunkt vorab preiszugeben.
Sie werden feststellen, dass dies schwieriger ist, als es klingt. Setzen Sie sich Ziele für diese Übung und versuchen Sie, jedes Mal mehr Fragen zu stellen.
Lassen Sie sich das Problem bestätigen
Sprechen Sie mit der Person, mit der Sie einen Konflikt hatten. Sagen Sie ihr, dass Sie sich darüber Gedanken machen, ob Sie ihren Standpunkt gut genug verstanden hätten, und mehr erfahren möchten.
Stellen Sie so lange Fragen, bis Sie nichts Neues mehr erfahren und fassen Sie anschliessend den Standpunkt der anderen Person zusammen. Ihr Ziel sollte es sein, den Standpunkt Ihres Gegenübers gut genug verstanden zu haben, um ihn fair genug zusammenzufassen, damit Ihr Gegenüber sagen kann: «Ja, das ist richtig!»
Warten
Jetzt kommt der schwierige Teil: Beenden Sie das Gespräch nicht mit der Zusammenfassung der Sichtweise Ihres Gegenübers.
Sagen Sie stattdessen einfach etwas wie: «Danke, das hat mir jetzt geholfen, Ihren Standpunkt besser zu verstehen.» Dann warten Sie und lassen die Stille im Raum ihre Arbeit tun. Weil die andere Seite sich endlich gehört fühlt, wird sie sich in vielen Fällen auf eine sehr konstruktive und lösungsorientierte Weise einbringen.
Learnings
- Fragen stellen, nicht monologisieren,
- Interessensfragen erstellen, um die Sichtweise der Gegenseite zu ergründen,
- Aktives Zuhören bei weniger wichtigen Verhandlungen üben,
- Das Problem framen und bestätigen lassen,
- Nach der Zusammenfassung Stille wirken lassen,
Bereiten Sie für die nächste Verhandlung 15 Fragen vor. Wenn Sie über eine solch hohe Anzahl Fragen verfügen, haben Sie sich mit der Welt der Gegenseite intensiv auseinandergesetzt und Sie sind gut für die Verhandlung vorbereitet. Vermutlich werden Sie nicht alle Fragen stellen müssen.